KI-Prognosen für 2024
Das Ende eines jeden Jahres ist auch immer jene Zeit, in der allerlei Prognosen dazu gewagt werden, was in den kommenden 365 Tagen auf uns zukommt. Im Tech-Bereich lassen zu dieser Zeit diverse Berater von sich hören, und diese sehen nach einem intensiven Hypejahr der künstlichen Intelligenz (KI) diese auch im Jahr 2024 als eines der dominierenden Themen: auf enttäuschte Erwartungen und Ernüchterung könnte somit eine produktive Integration in die Alltagsrealität folgen.
Auf der Spitze des Hypes
Oft konsultiert wird in diesem Kontext der „Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies“. Dieser zeigt in einem Liniendiagramm die Erwartungen an eine Technologie im Lauf der Zeit. Nachdem eine Innovation eingeführt wurde, steigen die Erwartungen immer weiter, bis sie den Gipfel erreichen. Nach dem Höhenflug folgt dann der Fall, und die Technologie landet im „Tal der Enttäuschungen“ – so der Fachausdruck in der deutschen Übersetzung. Danach steigen die Erwartungen wieder leicht an, und die Technologie erreicht das „Plateau der Produktivität“: Hier ist der Hype nicht mehr so extrem wie zuvor, stattdessen wird die Technologie im Alltag sinnvoll eingesetzt.
Bereits im August 2023 wurde eine Version des „Gartner Hype Cycle“ veröffentlicht, bei der eines klar hervorsticht: Generative KI – wie ChatGPT oder Midjourney – ist auf dem Höhepunkt der Erwartungen angelangt, von hier kann es also nur noch bergab gehen. Allerdings gehen die Marktforscher auch davon aus, dass diese Technologien das Plateau bereits in zwei bis fünf Jahren erreichen, dann also ein produktiver Teil unseres Alltags sind.
Potenzial sieht man für Unternehmen – und somit im Arbeitsleben und schließlich auch für die Kunden – darin, dass generative KI neue Inhalte, Produkte und auch Strategien entwickelt, indem sie von vorhandenen Daten lernt. Der Einfluss dieser Technologie auf Kunden und Mitarbeiter werde auch weiterhin groß sein, inklusive der Auswirkungen auf menschliche Arbeit, bevor die Technologie in drei bis fünf Jahren die besagte Reife erreicht.
Was bedeutet das konkret?
Die konkreten Auswirkungen auf den Alltag der Menschen skizzieren die Gartner-Marktforscher in einer Prognose für 2024 und die nachfolgenden Jahre. Demnach werden im Jahr 2026 rund 30 Prozent der Arbeitskräfte digitale „Charismafilter“ nutzen, die sie besser aussehen lassen, um entsprechende berufliche Vorteile zu erringen. Doch auch in puncto Diversität soll KI Wirkung zeigen, da neue Möglichkeiten für Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen und mit unterschiedlichem Bildungsgrad geschaffen werden.
Bis 2027 wird generative KI auch genutzt werden, um neuen Mitarbeitern bestehende Prozesse in Unternehmen zu erklären und moderne Alternativen zu entwickeln, die Kosten für die Modernisierung bestehender Prozesse sollen somit um 70 Prozent sinken. Bis 2028 wird den Experten zufolge auf den Fachkräftemangel immer mehr mit Automatisierung reagiert: In dem besagten Jahr wird es in der Produktion, dem Verkauf und der Logistik mehr Roboter als menschliche Arbeiter geben. Auf der anderen Seite wird sich der Standortvorteil von Staaten mit vielen, günstigen Arbeitskräften verringern. Stattdessen wird ein makroökonomischer Indikator sein, wie gut KI in die Wirtschaft integriert wurde und welchen konkreten Nutzen sie dort bringt.
Übrigens wird auch davon ausgegangen, dass die Maschinen neben der Rolle des Arbeiters jene des Konsumenten einnehmen: Der „Machine-Customer-Market“ wird als Milliardenchance gesehen, bis zu 20 Prozent des Umsatzes sollen im Jahr 2030 durch automatisierte Einkäufe zustande kommen. Knackpunkt dabei: Im Gegensatz zum Menschen lässt sich die KI nicht durch emotionalisierende Werbespots beeinflussen, sondern kauft rein nach Gesetzen der Logik – beziehungsweise basierend auf den Daten, mit denen sie trainiert wurde. Bis 2026, so die Prognose, haben 30 Prozent der großen Unternehmen eine Abteilung, die sich explizit mit dem Verkauf an KI-Einkäufer beschäftigt.
Was ist „Federated Machine Learning“?
Viele der im aktuellen „Hype Cycle“ gezeigten Technologien sind jedoch in einem frühen Stadium, wie Gartner-Analyst Arun Chandrasekaran ausführt: Das bedeutet auf der einen Seite große Unsicherheit, aber andererseits hohes Potenzial, wenn man die Technologien früher als andere umsetzt. In diesen Kontext fallen in der breiten Gesellschaft noch eher unbekannte Begriffe wie „Federated Machine Learning“, bei dem die KIs ohne das Teilen von Datensamples trainiert werden, was in puncto Datenschutz und Sicherheit von Vorteil wäre. Oder „Reinforcement Learning“ (RL), bei dem die KIs ausschließlich durch positives und negatives Feedback trainiert werden.
Dass diese Technologien die Menschen im Alltag betreffen, ist anzuzweifeln. Für die Entwicklung der Modelle könnten sie aber auch angesichts diverser Diskussionen in Sachen Urheberrecht relevant sein.
Praxisnutzen statt Experimente
Entsprechend sieht man bei Gartner in einer anderen Prognose viel Potenzial, dass – neben Themen wie nachhaltiger Technologie, Cloud-Computing und vernetzten Arbeitskräften – die Einbindung von KI in rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht nur im Jahr 2024, sondern in den kommenden drei Jahren zu den dominierenden Tech-Themen gehören wird. Zu bedenken ist dabei auch, dass der Kampf gegen Fake News härter wird: im Jahr 2028 soll dieser in Unternehmen mehr als 30 Milliarden Dollar beziehungsweise zehn Prozent des Marketing- und Cybersecuritybudgets verschlingen.
Einen Balanceakt zwischen Chancen und verantwortungsvoller Umsetzung sieht man auch beim Beratungsunternehmen Deloitte. „So wird die Europäische Union 2024 weitreichende Regulierungen im Zusammenhang mit AI einführen“, sagt Florian Brence, Partner bei Deloitte Österreich: „Ein Gleichgewicht zwischen der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und dem Antreiben von Innovation zu finden, wird für Unternehmen künftig erfolgsentscheidend sein.“
Der Ratschlag der Gartner-Experten an Unternehmen lautet dementsprechend, unkontrollierte Experimente ohne klare Richtung zu stoppen. Stattdessen sollten derartige Bemühungen auf einem klaren Ziel basieren und Ergebnisse liefern, die im Alltag verwendet werden können. Im Optimalfall lassen sich Entwicklungen in einem Unternehmen an mehreren Stellen wiederverwenden. Und natürlich muss die rechtliche Situation – allen voran Sicherheit, Urheberrecht und Datenschutz – stets im Blick behalten werden.
Künstliche Intelligenz ist somit sehr wohl gekommen, um zu bleiben. Allerdings wird sie nach einem wilden Hype-Jahr in Zukunft gezielter und vorsichtiger eingesetzt. Und sich somit immer fixer in unserem Alltag verankern.